Im Bereich der Trinkwasserentkeimung, der Wasser- bzw. Brauchwasseraufbereitung und Abwasserbehandlung, aber auch im Gewässermonitoring spielen Messsysteme zur Erfassung von Standardparametern wie Temperatur, Leitfähigkeit / Salinität, pH, Chlorophyll, pCO2 und Trübung eine entscheidende Rolle. Beim Verbleib in wässrigen Medien werden Sensorsysteme binnen kurzer Zeit mit einer Bewuchsschicht aus verschiedensten Organismen (Biofilm) bedeckt, was die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Sensors beeinträchtigt. Die derzeitige Praxis im Umgang mit dem Problem des Foulings/Scalings besteht in dem häufigen Austausch der Sensorkomponenten sowie der Etablierung von wartungs- und kostenaufwändigen mechanischen Reinigungszyklen bzw. dem Einsatz ökologisch bedenklicher, wassergefährdender Chemikalien. Daher besteht das Ziel des Projekts darin, ein hocheffektives aber nicht-toxisches Antifoulingkonzept für das Gewässermonitoring auf der Basis von spezifisch funktionalisierten, wasserbarrierebildenden Schichten zu entwickeln und somit den Kundenanforderungen nach nicht wartungsintensiver und doch langzeitstabiler Messtechnik Rechnung zu tragen.
Dezentrale automatisierte Systeme zur Überwachung der Wasserqualität in Flüssen, Talsperren, Seen, dem Meer oder in der Trinkwasseraufbereitung und Verteilung erfordern einen langzeitstabilen und wartungsarmen Betrieb. Ein effektives Antifouling ist hier unerlässlich, sollte aber auf gar keinen Fall selbst die Wasserqualität beeinflussen oder gar toxische Substanzen freisetzen. Daher fokussiert das Projekt auf die Entwicklung einer nicht-toxischen und funktionalen Antifoulingbeschichtung von Komponenten und Baugruppen für das Gewässermonitoring in der Trink- bzw. Brauchwasseraufbereitung. Im Einzelnen sollen anti-adhäsive Schichtsysteme auf Glas- und Stahlwerkstoffen etabliert werden. Diese Substrate sollen im Projekt mit einer effektiven Antifoulingbeschichtung funktionalisiert werden, die erstmals definiert polyhydrophile Funktionspolymere (PEG, POx) mit polyzwitterionischen Funktionspolymeren (Betaine) kombiniert (Kombinationsschichtsystem). Für die Substratkopplung bzw. Interkalierung wird hierbei eine membrananaloge Immobilisierungsmatrix auf der Basis von Tetraetherlipiden eingesetzt. Diese biomimetischen Schichtsysteme werden unter Einbeziehung etablierter mikrobiologischer Modelle unter in vitro-Bedingungen charakterisiert, optimiert und getestet und schließlich bei den Firmen -4H-JENA engineering GmbH und UV-Technik Speziallampen GmbH in Feldtestungen unter realen Bedingungen evaluiert. Um die so entwickelten und optimierten Beschichtungen wirtschaftlich rentabel aufzubringen, ist die Entwicklung einer Beschichtungstechnologie auf Spray-Basis vorgesehen. Das Kernziel des Projektes liegt in der Etablierung einer qualitativ neuen, anti-adhäsiven Antifouling -Beschichtung durch eine gezielte Kombination aus polyhydrophilen Polymerketten wie PEG und POx und polyzwitterionischen Komponenten in Zusammenarbeit mit der FSU Jena und dem Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik e.V. Die Verwendung von Tetraetherlipiden als Linker (Immobilisierungsmatrix) zwischen Substrat und organischer Beschichtung stellt für diese Anwendung eine Neuheit dar. Desweiteren werden vom Projektpartner CAM-D Technologies GmbH Computersimulationen durchgeführt zur Aufklärung der molekularen Mechanismen für die Herstellung kombinatorischer Schichtsysteme mit ausreichenden Antifoulingeigenschaften. Mit herkömmlichen experimentellen Methoden und Verfahren sind derartige Fragen zur molekularen Struktur der Tetraetherlipide/ Betaine und der sich ausbildenden Wasserbarriere auf festen Substraten nicht bzw. nur sehr schwer zu beantworten. Als weitere Neuheit in dem beantragten Projekt wird der Partner IFB Halle GmbH ein Fermentationsverfahren für Archaea sowie ein Aufreinigungsregime für deren Membranlipide entwickeln.
Es werden seitens der Anwender -4H-JENA engineering GmbH und UV-Technik Speziallampen GmbH ein Lastenhefte mit genauen Zielvorgaben der zu erreichenden Eigenschaften der Beschichtungen erstellt. Zielparameter wie Schichtstabilität, optische/chemische/physikalische Eigenschaften (Haftfestigkeit, optische Transparenz, Temperaturbeständigkeit) sowie das zu erreichende Antifouling- potenzial werden definiert. Seitens der Beschichtungsentwickler wird dieses Lastenheft geprüft und in Abstimmung mit den Anwendern in ein Pflichtenheft eingearbeitet. Weiterhin wird seitens der Beschichtungsentwickler ein Lastenheft mit spezifischen Anforderungen an die zu erreichende Qualität der extrahierten Membranlipide erarbeitet und in Zusammenarbeit mit dem IFB in ein Pflichtenheft eingearbeitet. Durch den Partner IFB zu realisierende Etablierung einer reproduzierbaren und kontinuierlichen Fermentation unterschiedlicher Archaea und deren Down-Stream-Processing hinsichtlich der Isolation von Membranlipiden. Ein Scale-Up des Verfahrens liefert die Basis für eine industrielle Nutzung der Methode.
Gleichzeitig wird an der Entwicklung einer effizienten Kopplungschemie von PEG/POx und zwitterionischen Molekülen wie Betainen an TEL beschichtete Substrate gearbeitet. Hierfür müssen die bestehenden Protokolle zur PEG/POx Modifizierung von TEL an die vom Partner IFB neu isolierten Lipide adaptiert und optimiert werden. Des Weiteren besteht die Hauptaufgabe der FSU in der Polymersynthese oben genannter Strukturen im entsprechend zu erwartenden Maßstab, um auf diese Weise die zu erbringenden Beschichtungsaufgaben zu gewährleisten. Herzustellen sind dabei besonders Polymere mit unterschiedlichen aber definierten molaren Massen (Kettenlängen), um durch gezielte Mischung der verschiedenen Polymerlängen den Funktionalisierungsgrad der Oberflächen zu optimieren. Mit der mesoskopischen Molekularen-Fragment-Methode (MFD) wird der Mechanismus der Adsorption, die Struktur und damit die Bindungseffizienz von Tetraetherlipidschichten auf Oberflächen verschiedener Substrate (Glas, Edelstahl) untersucht. Die Änderungen der Struktur durch chemisch funktionalisierte Lipide sowie Veränderungen der Eigenschaften der chemisch modifizierten Strukturen hinsichtlich der Adsorption von Wasser soll auf molekularem Niveau im Detail aufgeklärt werden. Mit atomistischen Simulationen, die auf molekülmechanischen Kraftfeldern beruhen (MM/MD), soll insbesondere die Frage der Wasserstruktur (Barrierewirkung) und der Bindung von Wassermolekülen an TEL-Oberflächen bzw. zusätzlich hydrophilisierten TEL-Oberflächen geklärt werden. Seitens der Anwender sind zum einen Stabilitätsuntersuchungen an den Schichten unter Simulation von applikationsnahen Bedingungen vorgesehen, zum anderen werden die entwickelten Schichtsysteme im Feldversuch am potenziellen Applikationsort (Trinkwasseraufbereitungsanlage; Flusswasser) auf Funktionalität getestet. Die umfassende Analyse der Schichtsysteme nach Stabilitäts- und Feldversuchen erfolgt in Zusammenarbeit zwischen Anwendern und Schichtentwicklern sowohl licht- als auch fluoreszenz- und elektronenmikroskopisch.
Michael Boer
07745 Jena
Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik e.V. (iba)
Friedrich-Schiller-Universität Jena -
Institut für Organische Chemie und Makro-molekulare Chemie
Bildnachweis: oben ©-4H- JENA engineering GmbH, unten ©-4H- JENA engineering GmbH